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Momo

  • Autorenbild: Andrea
    Andrea
  • 21. Juli 2021
  • 2 Min. Lesezeit

In der kurzen Zeit, in der wir hier am Rande einer großen Stadt wohnen, haben wir sehr viele Menschen kennengelernt. Inzwischen hat es sich auch rumgesprochen, dass ich immer daheim bin und immer Zeit habe. Einige Menschen kommen - mit oder ohne Voranmeldung - und erzählen mir ihre Lebensgeschichte mit sehr persönlichen Details. Ich ärgere mich nicht über die Zeiträuber, sondern bin sehr gerührt von dem Vertrauen, das sie mir entgegen bringen. Dieses Vertrauen hat wohl nichts damit zu tun, wie lange man sich schon kennt, sondern mit dem, was man ausstrahlt und mit aktivem Zuhören. Zuhören existiert in diesem Dorf übrigens gar nicht, weder aktiv noch passiv. In einem vorherigen Beitrag habe ich bereits darüber geschrieben, dass Heilung durch Verbundenheit mit anderen Menschen geschieht. Vertraut man einem oder mehreren Menschen, entsteht ein sicherer Raum, in dem man sich öffnen kann. Meine "Klienten" bezahlen mich übrigens mit Naturalien in Form von Gemüse oder Eis.


Heute bekam ich Eis und die Spenderin erzählte mir von den vielen Stationen ihres Berufslebens. Als Fremdsprachensekretärin hatte sie verantwortungsvolle Positionen als rechte Hand des Botschafters in Botschaften der verschiedensten afrikanischen und skandinavischen Nationen in London und in Rom, wie sie nicht ohne Stolz berichtete. Es gab auch unangenehme Tätigkeiten in Anwaltskanzleien, bevor sie schwer erkrankte. Da ich ähnliche berufliche Erfahrungen gemacht habe, interessierte mich, ob ihr die Arbeit als Sekretärin an sich gefallen hat und sie sagte, ja es war das Richtige für sie. Daraufhin fragte ich welches ihre beste Stelle war und sie sagte ohne eine Sekunde zu überlegen mit leuchtenden Augen: Bei den Rennpferden. Ich nahm an, sie wäre in der Rennbahn in der Verwaltung im Büro tätig gewesen. Tatsächlich war sie dort als Pferdepflegerin beschäftigt. Mein spontaner Kommentar war: Es ist besser Scheiße zu schippen, als sich in einer schicken Anwaltskanzlei wie Scheiße behandeln zu lassen.


Es gibt hier im Dorf übrigens auch ein Amphitheater, ich empfange die Menschen allerdings zuhause.


Momo Michael Ende Amphitheather Zuhören aktives Psychotherapie Gesprächstherapie
Wirklich zuhören können nur ganz wenige Menschen. Und so wie Momo sich aufs Zuhören verstand, war es ganz und gar einmalig.

Michael Ende, aus dem Buch "Momo"




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